Forum Entwicklungspolitik Brandenburg
wird herausgeben vom VENROB e.V.
FEB Ausgabe 13 (2023)
Heike Möller (Hrsg.)
“Brandenburg im Kaleidoskop der Agenda 2030”
© VENROB e.V., Potsdam 2023
60 Seiten / kostenfrei
Bestellung: info@venrob.de
Heike Möller (Hrsg)
Brandenburg im Kaleidoskop der Agenda 2030
Was erwartet Sie / Euch in dieser Ausgabe mit der Nummer 13 für 2023?
Ein neues Layout, zeitgemäßer und flexibler, lesefreundlich und ein Titelbild, das unter Zuhilfenahme von Künstlicher Intelligenz, kurz KI, erstellt wurde. Aber auch Letzteres passiert nicht von allein. Es bedarf einer sehr konkreten Fragestellung, einer hohen Frustrationsschwelle und einer großen Freude am Unerwarteten und hohen Anpassungsfähigkeit, um die Bilder im Kopf mit denen auf dem Bildschirm zu synchronisieren.
Die Rubrik Vermischtes, diesmal mit einem Gastbeitrag gleich zu Beginn über „Global Governance auf städtischer Ebene in Zeiten radikaler Ungewissheit“ greift die Relevanz von Kompetenzen auf, die Megacities benötigen, um ihre Systeme an die vielfältigen Problemlagen anzupassen. Globale Unternehmen in den Bereichen Technologie, Rohstoffgewinnung, Energie oder Landwirtschaft einerseits sowie die Zunahme von sozialen Bewegungen andererseits veranschaulichen die Herausbildung neuer Macht- und Einflusssphären jenseits staatlich zentrierter Strukturen. Die Gegenbewegung manifestiert sich in wiederbelebten Nationalismen, deren Auswirkungen viele Menschen zutiefst verstört und verängstigt.
Dagegen helfen Erfolge in Aushandlungsprozessen auf allen Ebenen emanzipatorischer Bemühungen, begleitet von scheinbaren Rückschlägen und finanziellen Knappheiten. Der Round Table für Entwicklungspolitik, das Promotor:innen-Programm, der Runde Tisch Bildung für Nachhaltige Entwicklung, die Nachhaltigkeitsplattform sowie zahlreiche AGs und Institutionen, die für mehr Nachhaltigkeit in den Kommunen einstehen, zeigen auf, was die kontinuierliche Arbeit der damit befassten Stakeholder im Land Brandenburg zu leisten vermag (und was nicht).
Unsere „Eine Welt“ zeichnet sich durch ein irreversibles Maß an Abhängigkeiten aus. Multiple Krisen und kriegerische Auseinandersetzungen wirken sich in unterschiedlichen Geschwindigkeiten direkt oder mittelbar auch auf unser Leben aus. Es liegt an uns, dieses „Eine Leben“ so friedlich, emphatisch und nachhaltig zu gestalten wie nur irgend möglich.
Vorwort
Unruhige Zeiten. Während Russland mit der gewaltsam Vereinnahmung der Ukraine versucht, sein Abgleiten in den Status einer Regionalmacht zu verhindern – der verbale Stachel von Obama sitzt noch tief in Putins Selbstwertgefühl – ist Israels oberster Kriegsherr Benjamin Netanjahu eifrig bemüht, die Folgen seiner miserablen Politik, die letztlich erst die Gewaltexzesse der Hamas gegenüber israelischen Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht hatte, mit zerstörerischer Vehemenz zu kaschieren, um sich so lang wie möglich noch an der Macht zu halten. Diese Politiken der Landnahme und Vergeltung hinterlassen nichts als Tod, physische und psychische Wunden bei allen Beteiligten sowie immense materielle Verluste. Und die Spirale der Gewalt kommt nicht zur Ruhe. Wie hatte schon Thomas Hobbes, der englische Philosoph und Staatstheoretiker in seinem Leviathan Mitte des 17. Jahrhunderts geschrieben: „Einem Menschen mehr Schaden zugefügt haben, als man wiedergutmachen kann (…), veranlasst den Täter, den Geschädigten zu hassen.“
Offener Hass und verdecktes Fremdeln schlägt auch hierzulande wieder in verstörender Zahl jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern entgegen, allen Aufarbeitungsargumenten zum Trotz. Der Völkermordforscher Gunnar Heinsohn schreibt dazu 2003: „Fast das gesamte (deutsche, Anm. die Verfasserin) Volk ist vom Symptom der verfolgten Unschuld befallen. Selbst liebenswerte Zeitgenossen und Friedenskämpfer fahnden auf einmal wie besessen nach israelischen Missetaten, weil sie hoffen, dadurch irgendwie und vor allem endgültig vom Hitlerfluch loszukommen.“ Seine Schlussfolgerung daraus ist, dass „die gekränkte Unschuld (…) eine gefährliche, unberechenbare und rachsüchtige Spezies“ sei, durchschaut man aber ihren Mechanismus, könne selbst aus dem fanatischsten Antizionisten wieder ein nüchterner und fairer Betrachter der Lage Israels werden, „der das Heil der Menschheit nicht mehr zwanghaft an die Lösung der Judenfrage in Nahost bindet“.
Mit vielen guten Argumenten versuchen Streetworker:innen, Ehrenamtliche u.a. Mitglieder der Zivilgesellschaft, und viele weitere Institutionen sowie die Politik auf den aufgebrachten – meist jugendlichen und durch Social Media aufgestachelten – Mob auf den Straßen europäischer Großstädte einzuwirken. Oft vergeblich, denn um diesen Aktionismus zu durchbrechen, bedarf es nicht nur guter Argumente, sondern auch Taten. Damit ist nicht die Vergabe von materiellen Wohltaten in Form von Bürgergeld gemeint, um selbige ruhigzustellen, sondern die Vermittlung von Information über die Mechanismen der Geldschaffung. Das bedeutet aktive Teilhabe am wirtschaftlichen Leben durch legale Teilnahme an Arbeitsprozessen, Schaffung von persönlichem Wohlstand und der Möglichkeit, das Gastland nach Erreichen dieser Ziele, wenn gewünscht, auch wieder Richtung Heimat zu verlassen.
Der Blick über den Tellerrand ist in der hiesigen Fläche nicht selbstverständlich und deshalb freue ich mich über den Gastbeitrag von dem umtriebigen, polyglotten Achim Wennmann, Direktor für Strategische Partnerschaften am Institut de Hautes Études Internationales et du Développement im beschaulich schönen Schweizer Genf. Er forscht seit Jahren darüber, wie globale, urbane Zentren mit den Notwendigkeiten des radikalen Wandels, hervorgerufen durch multiple Krisen wie Pandemien, Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, Umweltzerstörung, Klimawandel und noch einigen mehr umgehen.
Dass Nachhaltigkeit kein Selbstläufer ist und zum Teil auch vergeblich, hat der Sozialpsychologe Harald Welzer auf den Punkt gebracht: „Wenn wir heute von Nachhaltigkeit sprechen und vor allem wenn etwa Unternehmen versuchen, ‚nachhaltiger‘ zu produzieren, findet das unter Bedingungen systematisch entwickelter Nichtnachhaltigkeit statt.“ Vielleicht ist diese Erkenntnis partiell auch in der Brandenburger Politik vorhanden, weshalb es so lange gedauert hat, bis die passenden Worte Eingang in die neuformulierte Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung gefunden haben. Ira Matuschke und Ortwin Renn vom RIFS Potsdam, dem ehemaligen IASS, berichten darüber.
Als neue Rubrik in dieser Ausgabe ist unser „Kaleidoskop zu Veranstaltungen rund um die Agenda 2030“ zu verstehen. Neben der Zusammenfassung des Fachtags vom 16. November 2023 „Nachhaltige Kommunen in Brandenburg von Marion Piek, Brandenburg 21 e.V., beschäftigt sich das Herausgeberduo in Beiträgen unterschiedlicher Längen mit einigen nennenswerten Veranstaltungen – neben der eigenen –, auf die wir als Kernstück dieses Heftes kommen, d.h. dem Bericht aus der Arbeit des Round Table Entwicklungspolitik Brandenburg.
Darin zu lesen ist von Alfred Roos, Leiter der Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg, ein statistischer Überblick zu Rechtsextremismus und Rassismus in Brandenburg. Neben dem Monitoring der Entwicklungspolitischen Leitlinien gab es wie immer gute Gespräche, Diskussionen und Vernetzungsmöglichkeiten in der überschaubaren Runde, flankiert von einer Ausstellung des African Medien Zentrums e.V. mit dem Titel „Migration und Wir“.
In seiner Halbzeitbilanz zum Promotor:innen-Programm Brandenburg 2022 – 2024, das seine Anfänge 2015 zeitlich verortet, weist Uwe Prüfer darauf hin, wie sich dessen Ansatz „vom Projekt zur Struktur“ in der Verstetigung von positiven Veränderungen im Lernfeld, der Selbstwirksamkeitswahrnehmung von Multiplikator:innen und dem ganz konkreten Aufbau von Begegnungsorten darstellen lässt.
Wie man sich das im Einzelnen vorzustellen hat, berichten die Promotorin für entwicklungspolitisches Empowerment von migrantisch-diasporischen Strukturen Jahsa Rebecca Wiles; die Eine Welt-Promotorin zur Stärkung entwicklungspolitischer Themen in Nachhaltigkeitsprozessen Brandenburgs, Simone Holzwarth; das Promotor:innen-Tandem, das entwicklungspolitische Bildungsarbeit mit Frauen mit migrantischer Erfahrung im ländlichen Brandenburg leistet, Fatuma Musa Afrah von United Action Women and Girls e.V. und Andreas Teuchert von Halle 36 e.V. sowie die Fachpromotorin für Partnerschaften und internationale Kooperationen bei der Berlin-Brandenburgischen Auslandsgesellschaft e.V. (BBAG) Adina Hammoud.
Schulpartnerschaften mit dem Globalen Süden, das hört sich nach exotischen Reisezielen für Schülerinnen und Schüler sowie begleitendes Lehrpersonal und Eltern an. Aber wie lässt sich eine Partnerschaft pflegen bei ungleichen Voraussetzungen wie der Visumvergabe, der finanziellen Möglichkeiten u.a.m.? Und wie vertretbar sind Langstreckenflüge heutzutage? Diese und weitere Fragen stellt Uwe Berger von Carpus e.V. in seinem Artikel „Süd-Nord-Schulpartnerschaften im Zeichen der Klimakrise“.
Grund zum Feiern liefert Birgit Mitawi in ihrem Beitrag zu „20 Jahre BREBIT, Entwicklungspolitische Bildungs- und Informationstage – eine Geschichte von Mitgestaltung, Vernetzung, Lernprozessen und Veränderungen“. Noch längst keine 20 Jahre alt ist die Servicestelle BNE, finanziert vom MLUK und in erster Linie für außerschulische Bildungsangebote für Nachhaltige Entwicklung zuständig, weiß Anja Zubrod zu berichten.
Einen Überblick über die von der SKEW geförderten zwölf brandenburgischen Kommunen, die sich zwischen 2021 und 2023 im Rahmen des Projekts „Global Nachhaltige Kommune Brandenburg“ auf den Weg gemacht haben, die Prinzipien und Ziele der Agenda 2030 langfristig und strategisch in das kommunale Verwaltungshandeln zu integrieren, liefert Meike Pfeil von Engagement Global. Im Rahmen ihrer Masterarbeit fuhr Lena Bunselmeyer in eine brandenburgische Kommune, um zu untersuchen, wie Kommunen die Agenda 2030 jenseits von Handlungsleitfäden und Best-Practice tatsächlich angehen. Marion Piek von der Koordinierungsstelle Brandenburg 21 e.V. gibt einen Rück- und Ausblick auf die Arbeit der „AG Nachhaltige Kommune“, die gezielt Austauschformate zur Unterstützung der Kommunen in Nachhaltigkeitsprozessen anbietet. In der Durchführung des VENROB-Projektes „Regional aktiv – global gedacht“ stieß Nora Lust, Projektleiterin VENROB e.V. auf „Windmühlen und Schutzwälle“ und berichtet darüber.
Zum Abschluss noch ein interessanter Beitrag von Heiner Naumann, ehemals Vertreter der Fredrich-Ebert-Stiftung in Namibia, der sich am Beispiel ‚Grüner Wasserstoff aus Namibia‘ die Frage stellt, inwieweit privat finanzierte Großprojekte eine positive entwicklungspolitische Wirkung entfalten können.
Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Das Titelbild hat übrigensdie KI verzapft.
Heike Möller, Potsdam im Dezember 2023