Forum Entwicklungspolitik Brandenburg
FEB Ausgabe 10 (2020)
Heike Möller (Hrsg.)
“Brandenburg: kommunal, nachhaltig, international”
© WeltTrends, Potsdam 2020
44 Seiten / kostenfrei
Bestellung: info@venrob.org
Heike Möller (Hrsg)
BRANDENBURG: KOMMUNAL, NACHHALTIG, INTERNATIONAL
Otto Lilienthal und die „neuen“ preußischen Tugenden
Was hat der Flugpionier Otto Lilienthal mit brandenburgischen Kommunen gemeinsam? Auf den ersten Blick nichts, außer dass Lilienthal nicht nur in Berlin, sondern auch in Potsdam und Umgebung seine Flugübungen gemacht und damit den Grundstock für die weitere Entwicklung der Luftfahrt
gelegt hat. Auf den zweiten Blick wird klar: Innovation, Initiative, Zukunftsvision, Mut und Entschlossenheit!
Von alldem wünschen wir uns mehr. Innovation kommt aus der Mitte der Bevölkerung, und die wird auch in Deutschland immer bunter, kulturell vielfältiger und damit kreativer.
Einfallsreichtum, Kreativität und digitaler Sachverstand sind auch die neuen Qualitäten, derer es bedarf, um nicht nur beruflich halbwegs unbeschadet durch die Corona-Krise zu kommen. Diese bewirke – laut Aussage Gerd Landsbergs, Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes
– eine „Renaissance der kommunalen Selbstverwaltung“. Das Vertrauen in die Kommunen und ihre Vertreter*innen sei enorm gewachsen. Ohne diese würde man in der Pandemie-Bekämpfung keinen Zentimeter weiterkommen. Eigeninitiative wird gefordert und entsprechend gefördert.
Trendforscher Eike Wenzel stellt fest, dass Bürgermeister*innen im Kopf weiter seien als viele Staatschefs bei den Themen Klima, Energie- und Mobilitätswende, Wohnen und Digitalisierung. Grund: Sie sind näher dran am Alltag der Menschen. Es ist ja auch ihr tägliches Brot, sich mit den Anforderungen auseinandersetzen und dabei einen guten Job zu machen. Sich auf die großen Ziele zu fixieren ist das eine, die lokalen Potenziale zu kennen und diese zu stärken das andere. Bestehende Strukturen nutzen
und innovative Konzepte in der Fläche umsetzen – sei es bei der Flüchtlingsintegration, bezahlbarem Wohnraum, Nachbarschaftsinitiativen, beim Vereinsleben oder im Ehrenamt – ist eine Herkulesaufgabe.
Damit macht man sich nicht nur Freunde. Viele Bürgermeister und Bürgermeisterinnen (nur neun Prozent der Städte und Gemeinden werden bundesweit von Frauen geführt) sehen sich zunehmend zum Teil heftigen Anfeindungen ausgesetzt. Der Ton in der Politik ist rauer geworden und das bekommen die exponierten Ehren- und Hauptamtlichen oft am eigenen Leib zu spüren. Umso mehr freuen wir uns, drei Bürgermeister aus den brandenburgischen Städten Cottbus, Teltow und Eberswalde gewonnen
zu haben, fünf Fragen zu zwei Themenkomplexen zu beantworten: Klimawandel, Flüchtlings- und Asylpolitik sowie die Auswirkungen der Covid-19-Problematik in ihren jeweiligen Kommunen.
„Opfer müssen gebracht werden“, waren Otto Lilienthals letzte Worte nach seinem letzten, weil tödlich geendetem Flugversuch. Den Corona-Schutzbestimmungen zum Opfer gefallen sind nicht nur sämtliche großen und kleinen kulturellen, gesellschaftlichen und sonstigen Präsenzveranstaltungen.
Auch der jährlich vom VENROB e. V. und derzeit dem Ministerium für Finanzen und Europa abgehaltene „Round Table Entwicklungspolitik“ war davon betroffen. Die damit verbundenen Informationen der Input-Gebenden und teilnehmenden Akteur*innen sind aber nicht ersatzlos gestrichen: Vertreter*innen der Staatskanzlei, in der in dieser Legislation die Koordinierung der brandenburgischen Nachhaltigkeitsstrategie angesiedelt ist, und einiger Ministerien und brandenburgischen Nichtregierungsorganisationen haben ihre Statements verschriftlich und informieren über den gegenwärtigen Stand der Entwicklung.
So sieht die derzeitige Koalitionsvereinbarung keinen vollständigen Kurswechsel, sondern eine Fortschreibung der noch gültigen Landesnachhaltigkeitsstrategie vor, ausgerichtet an der Agenda 2030,
unterstützt von einem noch einzurichtenden Nachhaltigkeitsbeirat. Auch dieses Rad musste gottlob nicht neu erfunden werden. Aus dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport wird vermeldet, dass sich die Auswirkungen der Corona-Schutzmaßnahmen im Bildungsbereich besonders deutlich
gezeigt haben. Schulschließungen ab dem 18. März führten zum teilweisen Abbruch oder Ende aller Projekte. Aus dem Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz kommt der Hinweis auf die im Frühjahr 2020 erschienene Publikation „natürlich. nachhaltig. Wir in Brandenburg – Ziele
und Aktivitäten verständlich erklärt“. Darin wird kurz und in einfacher Sprache die weiterhin gültige Nachhaltigkeitsstrategie erklärt – ein potenzieller Publikationsbestseller.
Krisen wirken wie Katalysatoren: Hat 2015 die „Flüchtlingskrise“ Probleme des Polizei- und Verwaltungswesens bundesweit offenbart, beschleunigt Corona 2020 in unvorhergesehenem Ausmaß die Digitalisierung in wirklich allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens. Über die Folgen für
die Kommunikationsarbeit in der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit wird aus dem Ministerium für Finanzen und für Europa berichtet.
Eine Arbeitsgruppe unter Federführung der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) soll Handlungsmöglichkeiten und Maßnahmen identifizieren, um Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) im Bewusstsein aller Hochschulmitglieder nachdrücklich zu verankern.
Ein recht ausführlicher Bericht zu den Schwerpunkten brandenburgischer Nichtregierungsorganisationen verschafft einen guten Überblick über die vielfältigen Aktivitäten unterschiedlicher Gruppierungen. Neben vielen anderen seien hier exemplarisch die BREBIT, die am IASS angesiedelte Nachhaltigkeitsplattform und der Veranstaltungskalender anlässlich der Einheitsexpo in Potsdam genannt.
„Gelebte Nachhaltigkeit“ haben sich die Mitglieder von Stadt-Land.move und des Bildungshauses Villa Fohrde auf die Fahnen geschrieben. Mit ihrem Konzept der Gewinnung öffentlicher Aufmerksamkeit, der Stärkung und des Coachings von Nachhaltigkeitsinitiativen, dem Aufbau eines regionalen
Netzwerkes sowie dem Vorleben von Nachhaltigkeit im Alltag zeigen sie auf, wie sie zu einer zukunftsfähigen und global gerechten Entwicklung beitragen können.
„Gelebte Partnerschaften“ stellen die Promotorin des Diakonischen Werkes Teltow-Fläming e. V. und die Beigeordnete des Landkreises Teltow-Fläming im Rahmen der Klimapartnerschaft mit der namibischen Kommune Katima Mulilo vor.
Den Titel „Fairtrade-Town“ gibt es seit 20 Jahren zu erlangen. Während sich deutschlandweit bereits über 700 Kommunen um diese Auszeichnung verdient gemacht haben, ist das Engagement in Brandenburg mit Eberswalde, Neuruppin und Beelitz noch recht überschaubar. Dafür aber umso eindringlicher!
Das Format der Baruther Schlossgespräche hat sich im fünften Jahr seines Bestehens erfolgreich etabliert. Was zunächst noch „Neuland“ war, ist mittlerweile in allgemeines Grundverständnis übergegangen und sucht nach weiteren Ausrichtern im Norden Brandenburgs.
Über die zahlreichen Initiativen und Projekte wird aus der Spargelstadt und Fairtrade-Town Beelitz berichtet mit dem Ziel, die Nachhaltigkeit in der Region zu fördern.
„Gelebte Städtepartnerschaft“ zeigt sich am Beispiel Potsdam-Sansibar, eine mit verschiedenen Inhalten wie Kooperationen, Spendenaktionen, Schulpartnerschaft und anderen Aktivitäten gelebte Beziehung mit dem Globalen Süden.
Und im Anhang finden Sie eine Mustererklärung, die Sie in Ihrer Kommune zur Diskussion stellen können, um die Agenda 2030 und die 17 Nachhaltigkeitsziele aktiv voranzubringen.
Heike Möller, Potsdam im Corona-Dezember 2020