Konferenzbericht der Fachtagung
Verantwortlich im Sinne des Presserechtes:
» Heinz-Joachim Lohmann,
Evangelische Akademie zu Berlin
» Detlev Groß,
Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg
» Axel von Hoerschelmann,
Verein zur Förderung von Wissenschaft und Praxis der Mediation e.V.
» Dr. Kambiz Ghawami,
World University Service Germany
» Holger Ehmke,
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Mitschrift: Heike Möller
Redaktion & Lektorat:
Heike Möller, Harald Melzer
Fotos, Layout & Satz: Tatjana Pott
Erscheinungsdatum: Februar 2020
Konferenzbericht der Fachtagung
DIE WELT ALS BEDROHUNG
Der Ausweg heißt Nachhaltige Entwicklung
EINLEITUNG ZUR FACHTAGUNG
Konflikte sind Motoren gesellschaftlicher Entwicklung. Deren Bearbeitung erfolgt mit Hilfe einer Fülle akzeptierter Regeln. Bricht aber diese Akzeptanz, weil Gegensätze überwiegen, Konsens verloren geht oder die Wahrnehmung von politischen Entscheidungen subjektiv als Überwältigung empfunden wird, stellt sich für den Einzelnen die Frage:
Was tun?
Bringen uns Google, Wikipedia, Twitter und Facebook weiter? Das Internet infiziert und ist gleichzeitig aseptisch. Die Inhalte werden zwar von Menschen gemacht, aber sind in mancherlei Hinsicht „unmenschlich“. Die sogenannten „sozialen Medien“ schaffen sowohl Raum für negative Entäußerung in der Anonymität als auch positive Einmischung in die Politik und Mitgestaltung der Gesellschaft.
Aber tatsächlich „sozial“ ist nur, was Menschen verbindet. Deswegen ist es wichtig, dass wir nicht nur auf das Internet setzen, sondern tatsächlich Begegnung zur Auseinandersetzung organisieren: Auge in Auge ohne Scheuklappen. Kommunikation ist der dauerhafte Anspruch, uns Menschen als Subjekte und Beweger von gesellschaftlichen Veränderungen zu erkennen.
Als Hilfsmittel soll uns das Internet dazu willkommen sein. Ein Ersatz zum direkten Austausch in einer Demokratie ist es nicht und es bedarf auch immer wieder neuer Vorbilder aus Gesellschaft und Politik, damit eine anspruchsvolle Informations- und Bildungsarbeit auf Dauer gelingen kann. In der Demokratie muss Meinungsführerschaft mit Argumenten erkämpft werden. Wir dürfen diese nicht extremen Populisten überlassen und damit unsere eigenen Grundlagen zerstören.
Die Wahrnehmung der „Welt als Bedrohung“ blockiert die Dialogbereitschaft über notwendige gesellschaftliche Veränderungen, weil sie davon ausgeht, dass die Probleme immer bei den anderen liegen und das Eigene ohne die anderen besser funktioniert. Dabei wird völlig ignoriert, dass eine Herauslösung aus internationalen Zusammenhängen weder möglich noch wünschenswert ist. Ganz im Gegenteil: nur in enger europäischer und internationaler Kooperation und Diplomatie kann unser aller Wohlergehen, können deutsche Interessen in vorausschauende Konfliktlösungsstrategien eingebracht und gewahrt werden.
Eine Globalisierungsdebatte, die zum Schüren von Ängsten genutzt wird, u.a. durch die Verabsolutierung auch berechtigter nationaler Interessen, zerstört die multilaterale Weltordnung im Namen eines vermeintlich gebotenen nationalen Protektionismus‘, der nicht Kontrolle zurückgewinnt, sondern Gemeinsamkeiten aushöhlt und zerstört. Diese Entsolidarisierung der in den letzten 75 Jahren sich aufbauenden Wertegemeinschaft einer – zumindest angestrebten – demokratischen Weltgemeinschaft stellt sich gegen den Geist aller UN-Nachhaltigkeitsziele.
Diese Fachtagung hat Menschen mit Verantwortung für Kommunikationsarbeit, unterschiedlichem Know How und dem Interesse an direktem Austausch zusammengeführt. Wir bedanken uns bei den Impulsgebern für den fachlichen Input und bei allen Teilnehmer*innen für die vorbehaltlose Auseinandersetzung damit. In unklarer Lage Verantwortung für die eigene Sprache – etwa Klarheit, Wertschätzung des Anderen, Entschleunigung – zu übernehmen ist ein Mittel, „Partei zu ergreifen“, damit wir der Umsetzung und Untersetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele gerecht werden und gefühlten oder tatsächlichen Bedrohungen entgegenwirken können.
Heinz-Joachim Lohmann, Axel von Hoerschelmann, Dr. Kambiz Ghawami, Holger Ehmke, Detlev Groß (Steuerungsgruppe)
Resümee
Lernprozesse und Wille zu Veränderungen werden vornehmlich durch Katastrophen in Gang gesetzt. Umso dringlicher ist es heute, bevor die zu erwartenden Bedrohungen aufgrund des Klimawandels auch hierzulande mit aller Wucht ankommen, das Bewusstsein und Verständnis für nachhaltiges Zusammenleben zu schärfen. Um die notwendigen Veränderungen auch in der deutschen Gesellschaft anzustoßen, setzen die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen den globalen Rahmen. Wie aber können diese komplexen Prozesse in die Gesellschaft kommuniziert werden?
Es geht nicht ohne generationsübergreifende Förderung entsprechender Bildungsangebote in einfacher bis komplexer Sprache auf allen Ausbildungsebenen. Flankiert wird dies durch eine Streitkultur, die wir erst wieder neu lernen müssen. Unterschiedliche Meinungen zu haben hat etwas Kreatives und Konstruktives, das in unserer schnelllebigen Welt aus dem Sichtfeld zu geraten scheint.
Die digitalen Medien beschleunigen diese Prozesse auf der Oberfläche. Das tiefere Verständnis ist manchmal nicht einmal mehr der bloßen Kenntnis gewichen. Im akuten Krisenfall lösen die digitalen Medien ein regelrechtes Rudelverhalten aus, das die Menschen schlechter agieren lässt und gute Politik erschwert. Dem gegenüber stehen positive Erfahrungen mit digitalen Medien, etwa wenn sie verant- wortlich eingesetzt und moderiert werden.
Um nicht jedem Hype aufzusitzen, müssen wir erst einmal einen Schritt zurückgehen, um zu uns selbst zu finden. Denn erst wenn wir wissen, wie wir mit unseren Emotionen umgehen, die unseren Körper und Geist steuern, können wir Vertrauen aufbauen und wieder zusammenkommen.
Wir brauchen die Einsicht und das Vertrauen darauf, dass unsere Demokratie längst noch nicht an ihre Grenze gestoßen ist, weil die populistischen Strömungen von rechts scheinbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind. Wir brauchen auch nicht zwangsläufig eine neue Ethik, sondern die Wertschätzung des bisher erreichten – auf der Grundlage unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Dieses klein zu reden oder gegeneinander auszuspielen, unterhöhlt nicht nur das „Leben und leben lassen“ in einer aufgeklärten Gesellschaft. Es befördert Gleichmacherei und verhindert Fortschritt.
Es bleibt die Kernfrage: Wie kann das bisher Erreichte sichtbarer gemacht und in Zusammenhang gebracht werden mit unserem guten Leben von heute?
Einige Antworten für eine verbesserte Kommunika- tion haben sich herauskristallisiert:
- Klare Überschriften in unserer Kommunikation zu setzen.
- Die eigene konzeptionelle Ratlosigkeit überwin- den durch konstruktiven und kreativen Dialog.
- Miteinander und nicht übereinander reden und dabei Probleme aufzeigen, um nicht den zer- störerischen Kräften mit unserem Schweigen Vorschub zu leisten.
- Dinge beim Namen nennen, weiterdenken und Konsequenzen folgen lassen.
Dazu haben diese Konferenz und ihre Teilnehmen- den einen wertvollen Beitrag geleistet.
Heike Möller